Transkulturell kompetent. Sprachbarrieren und kulturellen Unterschieden sicher begegnen. 2016, 194 Seiten, Braunschweig: Westermann. ISBN 978-3-14-113081-2; 28,80 €

Geschrieben am 21.03.2017


Besonders ErzieherInnen, Lehrkräfte und LogopädInnen sind auf der Suche nachsachdienlichen Informationen zu sprachstrukturellen Unterschieden zwischen denErstsprachen und dem Deutschen bei Migranten-/ DaZ- oder anderen mehrsprachigenKindern und dankbar für Übungsanregungen. Das vorliegende Buch vermittelt Kenntnisseüber die phonetischen und grammatikalischen Unterschiede zwischen 16 Erstsprachenund dem Deutschen. Denn diese Kenntnisse über „Unterschiede zwischen der jeweiligenErstsprache eines Kindes bzw. Deutschlernenden und der deutschen Sprache bilden fürPädagoginnen/Pädagogen die Voraussetzung, um … beim Erwerb der deutschen Sprachesinnvoll zu fördern“ (S. 115).
Jedoch: Im vorliegenden Buch geht es um mehr als um Sprachbarrieren. Die Autorinspannt einen weiten Bogen – ausgehend von Basiswissen über die verschiedenartigenGesellschaftssysteme mit diversen Wertevorstellungen und kulturspezifischen Verhaltensweisen der wichtigsten Herkunftsländer unserer Migrantinnen und Migrantenseit dem großen Zustrom ab 2015 – hin zu den o. g. sprachlichen Besonderheiten der 16 Migrantensprachen, die das Erlernen des Deutschen erschweren.
In Kapitel 1 behandelt sie unterschiedliche Verhaltensweisen, die auf der Verschiedenartigkeit von Kollektiv- versus Individualgesellschaften fußen, und damit imAlltag zu gegenseitigem Unverständnis/ zu Missverständnissen führen, wenn  auf diesem Gebiet fehlen, wie beispielsweise solche über differente Bewertungkindlicher Persönlichkeitsentwicklung und verschiedenartige Erziehungskonzepte, überUnterschiede des kindlichen Spielens und Förderns kognitiver Fähigkeiten oder über die gesellschaftliche Stellung von PädagogInnen (S. 7–34). Hilfreich bei einem schrittweisenund selbstständigen Entwickeln transkultureller Kompetenz für pädagogische Kräfte kann ergänzend das 2016 erschienene Werk des Kindertherapeuten Hans Hopf„Flüchtlingskinder gestern und heute“ sein, u. a. mit beschreibenden Auswirkungen vonTraumatisierung bei Migrantenkindern und deren Eltern.
InKapitel 2 geht es um das richtige Hören und Sprechen einer Sprache (Unterschiede inder Satzmelodie etc.), speziell um lautliche Schwierigkeiten für DaZ-Kinder (S. 37–50).
Und Kapitel 3 vermittelt Kenntnisse über die phonetischen und grammatikalischen Unterschiede zwischen den 16 Erstsprachen und dem Deutschen. Es besticht die Vielzahlund die besondere Auswahl der Migrantensprachen: Albanisch, Arabisch, Bosnisch/Kroatisch/ Serbisch, Chinesisch, Nord-, Zentral-, Südkurdisch, Paschtunisch, Polnisch,Russisch, Tschechisch, Tschetschenisch, Türkisch und Ungarisch (S. 51–114); die in dieser Bandbreite in der Literatur bislang nicht zusammengestellt worden sind. Einzelne Erstsprachen und einige Aspekte sprachstruktureller Differenzen zum Deutschen wurden bislang beispielsweise von Marc Schmidt (2014; bezügl. Türkisch, Russisch, Polnisch,Portugiesisch, Französisch) und von Suzan Hahnemann & Jule Philippi (2013; bezügl.Italienisch, Türkisch) diskutiert; nicht aber die Vielzahl an aktuell relevanten Migrantensprachen, mit denen sich pädagogische Kräfte derzeit konfrontiert sehen.
Jede einzelne Sprachbetrachtung gibt einen Überblick über den lautlichen undgrammatikalischen Aufbau der betreffenden Sprache mit Randnotizen zu den Besonderheiten für diese Kinder beim Deutscherwerb. Zahlreiche Lautbildungs-,Grammatik- und Rechtschreibprobleme werden so nachvollziehbar.
In Kapitel 4 präsentiert die Autorin Förderformate zum Deutscherwerb, die mehrsprachigen Kindern als motivierende Sprechspiele ein freudvolles Erlernen der mündlichen Kommunikationin der deutschen Sprache ermöglichen – ausgehend von den sprachstrukturellen Differenzen zwischen der Erstsprache und dem Deutschen. Die Spiele eignen sich teils für das Elementar-, meist für das Primaralter (S. 115–192) und können für Kinder an Schulen mit Förderschwerpunkt Sprache adaptiert werden.
Diese Neuerscheinung – mit der Bandbreite von 16 aktuell relevanten Migrantensprachen– sollte in keiner Schulbibliothek fehlen und zum Handbuch für jede pädagogischen Kraft werden, die mit DaZ-Kindern arbeitet.
Dr. Birgit Jackel, Biebergemünd