Transkulturell kompetent in Praxis Sprache Deutsche Gesellschaft für Sprechwissenschaft und Sprecherziehung 2/2017

Geschrieben am 03.04.2017


CSELLICH-RUSO, Renate (2016). Transkulturell kompetent. Sprachbarrieren und
kulturellen Unterschieden sicher begegnen. Braunschweig: Westermann; 194
Seiten; 28,80 €, ISBN 978-3-14-113081-2
Transkulturell kompetentsein bedeutet, anderen vorurteilsfrei zu begegnen und ebensozu handeln (S. 9). Und immer erweitert das Wissen um bestimmte Unterschiede das eigene Verständnis (S. 32).
Um Sprachbarrieren und kulturellen Unterschieden zu begegnen, bedarf es transkultureller Kompetenz, die allen Personen, die mit Migrantinnen und Migranten beruflich wie privat Kontakt haben, als Grundvoraussetzung zum gelingenden Miteinander dient. Damit sind
alle MitbürgerInnen angesprochen, sich diesbezüglich kundig zu machen.
In Kapitel 1
behandelt die Autorin wichtige Aspekte, die aufgrund der Verschiedenartigkeit diverser Gesellschaftssysteme und deren Wertevorstellungen zu unterschiedlichen Verhaltensweisen und damit im Alltag zu gegenseitigem Unverständnis respektive Missverständnissen führen, wenn basale Kenntnisse auf diesem Gebiet fehlen, wie beispielsweise über differente Bewertung kindlicher Persönlichkeitsentwicklung und verschiedenartige Erziehungskonzepte in kollektiven versus Individualen Gesellschaften, über Unterschiede des kindlichen Spielens und Förderns kognitiver Fähigkeiten oder über die gesellschaftliche Stellung von LehrerInnen (S. 7–34). Selbst die Bedeutung eines gestischen Ausdrucksmittels kann in anderen Kulturen/ Ländern gegensätzlich sein. So gilt beispielsweise ein nach oben gerichteter Daumen in der westlichen Welt als Zustimmungsgeste, hingegen in Afghanistan, im Irak und Iran als vulgäre Beleidigung (S.
33).
Was Renate Csellich-Ruso in diesem Buch an kulturellen Besonderheiten eines breiten Spektrums an Herkunftsländern zusammengestellt hat, ist überaus sachdienlich – zumal sie die Herkunftsländer der Flüchtlinge abdeckt, die seit 2015 nach Europa strömen, und detailreich über die kulturspezifischen Verhaltensweisen informiert. So können die Rezipierenden ein respektvolles Miteinander-Handeln lernen und eigene Handlungsweisen überdenken, „sodass ein schrittweises und selbstständiges Entwickeln transkultureller Handlungskompetenz möglich wird“ (S. 6).
In Kapitel 2
geht es um das richtige Hören und Sprechen einer Sprache (Unterschiede in der Satzmelodie etc.), speziell um lautliche Schwierigkeiten für Deutschlernende (S. 37–50).
Kapitel 3
vermittelt Kenntnisse über die phonetischen und grammatikalischen Unterschiede zwischen Erstsprachen und dem Deutschen. Wieder besticht die Vielzahl der Migrantensprachen: Albanisch, Arabisch, Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch, Chinesisch,Nord-, Zentral-, Südkurdisch, Paschtunisch, Polnisch, Russisch, Tschechisch,Tschetschenisch, Türkisch und Ungarisch (S. 51–114).
Jede einzelne Sprachbetrachtung gibt einen Überblick über den lautlichen und grammatikalischen Aufbau der betreffenden Sprache mit Randnotizen zu den Besonderheiten für die betreffenden Kinder beim Deutscherwerb. Zahlreiche Lautbildungs-, Grammatik- und Rechtschreibprobleme werden so nachvollziehbar.
In Kapitel 4
präsentiert die Autorin Förderformate zum Deutscherwerb, die den Kindern als motivierende Sprechspiele ein freudvolles Erlernen der mündlichen Kommunikation ermöglichen – ausgehend von den Unterschieden zwischen der Erstsprache und dem Deutschen. Die Spiele eignen sich teils für das Elementar-, meist für das Primaralter, wobei für das gemeinsame Handeln immer die gesprochene Sprache
den Ausgangspunkt bildet (S. 115–192).
Besonders ErzieherInnen, Lehrkräfte und LogopädInnen sollten sich von dem Werk angesprochen fühlen; kann ihnen doch solches Wissen als basale Voraussetzung für adäquates Sprachfördern dienen.
Dr. Birgit Jackel, Biebergemünd